Düsseldorf, 29.07.2022. Das Interboden-Projekt "The Cradle", Digitalisierung und die anstehenden Herausforderungen in der Bau- und Immobilienbranche standen im Mittelpunkt der Anfrage, die eine freie Journalistin für die Wirtschaftswoche an den BFW-Landesvorsitzenden Martin Dornieden richtete. Nachfolgend seine Antworten auf die Anfrage.
Was ist derzeit die größte Herausforderung, vor der die Bau- und Immobilienbranche steht?
Wir haben im Moment das Gefühl, das in regelmäßigen Abständen immer wieder neue Belastungen auf uns zukommen. Bereits im letzten Jahr explodierten die Baukosten, es gibt nach wie vor Lieferengpässe bei Materialien. Verschärft wurde die Situation durch den Beschluss der neuen Bundesregierung, die bis dato bestehende staatliche Förderung umzukrempeln. Dazu kommen gestiegene Transport- und Energiekosten und die aktuelle Zinsentwicklung. Insbesondere der Wohnungsneubau ist längst kein Selbstläufer mehr. Die Rahmenbedingungen sind für die Projektkalkulation unserer Mitglieder extrem schwierig. Folge: Die einen erwerben keine weiteren Grundstücke, andere machen keine Anstalten, bereits erworbene Grundstücke zu bebauen.
Wird die Branche momentan nachhaltiger? Wenn ja, wie?
Umwelt, Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind heute neben Mobilität und Verkehr die dominierenden Themen in der Immobilienwirtschaft, wenn es um die Planung neuer Wohnquartiere geht. Das ergibt sich aus wachsenden Anforderungen der Kommunen, Innovationen der Industrie und einem veränderten Zeitgeist. Es ist kein Geheimnis, dass die Bauwirtschaft nach wie vor zu den größten Emittenten gehört und die Klimabilanz entsprechend belastet. Das werden wir nicht von einem Tag auf den anderen ändern können, aber es gibt viele positive Ansätze. Politisch gewollt ist der Einsatz alternativer Energien, viele unserer BFW-Mitglieder sind innovativ und testen neue Projekte. Serielles Bauen, der Einsatz von Photovoltaik und Wasserstoff, die enge Zusammenarbeit mit den Versorgern und alternative Bauformen wie Holzbau sind wesentliche Themen. Was in der Betrachtung untergeht: Trotz deutlich deutlich gewachsener Neubau- und Bestandszahlen ist der Energieverbrauch deutlich gesunken. Das spricht ganz klar dafür, dass die Branche bereits seit Jahren das Thema Nachhaltigkeit im Blick hat.
Welchen Einfluss hat das Unternehmen Interboden auf die Branche?
Interboden ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie unser Mittelstand agiert. Digitalisierung, Mobilität und Nachhaltigkeit sind heute Teil nicht nur der Interboden-Philosophie. Damit wird der Anspruch deutlich, den nicht nur Interboden sondern auch viele andere BFW-Mitglieder an ihre Arbeit haben. Schöne Häuser bauen viele, aber es kommt immer mehr darauf an, auch das Umfeld zu gestalten. Apropos: Politik und Öffentlichkeit vergessen gerne, dass sowohl im Wohnbau als auch im Gewerbeimmobilienbereich von unseren Mitgliedern Mehrwerte produziert werden, die nicht mehr die kommunalen Kassen belasten. Das fängt bei der Kostenbeteiligung für Kitas an und hört nicht bei der Schaffung von öffentlich gefördertem Wohnraum auf.
Die Digitalisierung ist ein Trend der Branche. Ist das Unternehmen dahingehend Vorreiter?
Die Digitalisierung wird für einen fundamentalen Wandel in der Planung, im Betrieb und in der Nutzung von Gebäuden sorgen. INTERBODEN hat sich bereits sehr früh mit diesen Themen beschäftigt und in diesem Bereich Kapazitäten bereitgestellt. Nahezu jedes BFW-Mitglied ist aber zumindest in Teilen mit Digitalisierungsprozessen befasst: Bei dem einen ist es der Einsatz von BIM in Planungsprozessen, bei anderen ist es die zunehmende Erhebung von Gebäudedaten, die aus smarten Gebäuden ausgelesen werden können. Ich bin sicher, dass die Daten, die aus der Betriebsleistung z.B. von The Cradle geliefert werden, dazu beitragen werden, fundierte Asset-Management-Entscheidungen zu treffen.
Wie bewerten Sie das Pilotprojekt "The Cradle" von Interboden?
„The Cradle“ zeigt, wohin die Entwicklung in der Bau- und Immobilienwirtschaft geht. Baustoffe und Betrieb werden nach Erkenntnis von INTERBODEN gegenüber konventionellen Gebäuden rund 39 Prozent an CO2 einsparen. Mit Holzbau, Solaranlagen, Elektromobilität und digitalen Services wie der App werden ganz konkret Themen in einem Projekt umgesetzt, die den Alltag aller Planer aktuell bestimmen. In diesem Projekt werden in den nächsten Jahren mit Sicherheit Erkenntnisse gesammelt, die der gesamten Branche auf dem Weg zu noch mehr Nachhaltigkeit helfen werden. Die vorzeitige Vollvermietung ist ein Beleg dafür, dass solche Projekte für den Mieter auch Imagetransfer bedeuten – im Sinne von: Wir mieten als nachhaltiges Unternehmen eine nachhaltige Immobilie.
Welchen Einfluss hat das Cradle to Cradle-Prinzip (Kreislaufwirtschaft) auf die Branche? Spielt es eine große Rolle?
Der Traum, Material in einer Kreislaufwirtschaft endlos zirkulieren zu lassen, ist ja nicht neu. Bereits 2013 wurde von DeepGreen im Rahmen der Internationalen Bauausstellung in Hamburg das fünfgeschossige Wohngebäude Woodcube vorgestellt, das aus Massivholz besteht und komplett schadstofffrei und CO2-neutral ist. Die Aussicht, den Einsatz von Ressourcen zu minimieren, das Entstehen von Abfall zu vermeiden und Energien un und Materialien regenerativ wieder dem Kreislauf zuzuführen, ist ganz wesentlicher Aspekt nachhaltiger Wertschöpfung. In der Branche wird sehr interessiert beobachtet, wie sich die „Cradle to Cradle“ Projekte entwickeln.
Von staatlicher Seite kann da übrigens noch einiges bewegt werden. In anderen Ländern ist man mit der Zulassung von recyclingfähigen Materialien, die dem Beton beigemischt werden können, deutlich weiter.
Welche Auswirkungen hatte/ hat die Corona-Pandemie auf die Branche? Gab es Lieferengpässe oder Stillstand auf den Baustellen?
Jeder Bauträger oder Projektentwickler hat dazu ganz spezielle Erfahrungen gemacht. Anfangs waren die im Vorteil, die rechtzeitig geordert hatten, so dass Lieferengpässe zunächst vermieden werden konnten. Der teilweise Zusammenbruch der Lieferketten und die Dauer der Einschränkungen haben dann aber dazu geführt, dass es fast jeden in irgendeinem Projekt getroffen hat. Hinzu kommt, dass es toll ist, wenn es mit dem Material geklappt hat, sie aber wenig tun können, wenn in einem beauftragten Handwerksunternehmen der Großteil der Mitarbeiter wegen Corona außer Gefecht ist.
Welche Auswirkungen hat der Krieg in der Ukraine auf die Branche?
Der Krieg in der Ukraine hat die Entwicklung noch forciert. Das betrifft vor allem das Thema Lieferketten und Materialengpässe. Das trifft sowohl den Wohnbau als auch die Gewerbeimmobilien.
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