"Enge Kooperation ist erforderlich"
Düsseldorf, 07.01.2025. Für die Bewältigung der Wohnraumkrise müssten sich Städte und Immobilienwirtschaft im Schulterschluss üben und auf allen Ebenen eng miteinander kooperieren. Doch diese Zusammenarbeit ist oft geprägt von Misstrauen und gegenseitigem Unverständnis. Wie solche Probleme überwunden werden können, hat Prof. Christa Reicher zuletzt im Online-Meeting des BFW-Fachausschusses Bauträger beschrieben. Während Kommunen der Immobilienwirtschaft den kurzfristigen Blick auf schnelle Rendite und ausbleibendes Bekenntnis zur Realisierung von Projekten vorwerfen, attestiert die Immobilienwirtschaft den Kommunen fehlendes Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge und mangelnde Innovationsfreude. Dabei sind Vertrauen und Transparenz Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den Akteuren.
Sie sagen, dass Immobilienunternehmen und Kommunen ihr gegenseitiges Misstrauen überwinden müssen, um die Herausforderung von Stadtentwicklung für die Zukunft zu meistern. Aber woher rührt das Misstrauen und wie lässt es sich abbauen?
Prof. Christa Reicher Misstrauen und Unverständnis entsteht häufig durch unterschiedliche Erfahrungen und Erwartungshaltungen auf beiden Seiten. Kommunen fürchten die Renditeorientierung der Projektentwickler, während Entwickler die kommunalen Planungsprozesse unterschätzen. Ein besseres Verständnis für die Voraussetzungen und Notwendigkeiten beider Parteien und transparente Kommunikation sind der Schlüssel.
Die immens gestiegenen Grundstückskosten sind seit geraumer Zeit in der Diskussion. Nicht selten schiebt man sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Wie können Kommunen und Entwickler gemeinsam der „Spirale der Kostensteigerung“ entkommen?
Prof. Christa Reicher Steigende Grundstückspreise werden oft Entwicklern angelastet, aber auch Kommunen tragen dazu bei, indem sie Grundstücke zurückhalten. Sie könnten Spekulation verhindern, indem sie vertragliche und planungsrechtliche Vorgaben nutzen. Außerdem bieten sich einer Kommune Instrumente wie Vorkaufsrechte und die Grundsteuer C, um die Preisentwicklung zu steuern.
Sie betonen die Bedeutung gemeinsamer Werte und Ziele. Aber wie erreicht man einen Konsens am besten?
Prof. Christa Reicher Wenn übergeordnete Qualitätsziele abgestimmt sind, lassen sich Prozesse effizienter gestalten und somit Konflikte vermeiden. Gemeinsame Werte und Ziele gilt es, in transparenten Verhandlungen festzulegen und zu priorisieren. Hier bieten sich projektbezogene Task Forces oder regelmäßige Austauschformate an.
Inwieweit könnte eine neue Definition von Wirtschaftlichkeit und Rendite die Zusammenarbeit erleichtern?
Prof. Christa Reicher Öffentliche und private Akteure haben oft unterschiedliche Vorstellungen von Wirtschaftlichkeit. Ein Konzept wie die „Stadtrendite“, das soziale und ökologische Wirkungen berücksichtigt, könnte helfen, eine gemeinsame Basis zu finden. Kommunen sollten mehr marktwirtschaftliches Wissen aufbauen, Kommunen und Entwickler sollten ihre Renditeerwartungen klarer kommunizieren.
Was bedeutet für Sie „Mehr Mut zur Innovation“?
Prof. Christa Reicher Kommunale Verwaltungen scheuen oft innovative Lösungen aus Angst vor rechtlichen Risiken. Ein stärkeres Vertrauen in die Expertise der Beteiligten und eine offenere Fehlerkultur könnten neue kreative Ansätze fördern. Wirtschaftliche Risiken für Entwickler könnten durch flexible Regelungen etwa bei Flächenwidmungen ausgeglichen werden.
Planungsprozesse sind oft ein Streitpunkt. Was könnte hier verbessert werden?
Prof. Christa Reicher Verzögerungen entstehen häufig durch die zunehmende Komplexität von Prozessen und einen Mangel an Fachkräften. Ein klar strukturiertes Prozessdesign mit regelmäßigen Treffen und digitalisierten Abläufen könnte Abhilfe schaffen. Projekte sollten interdisziplinär und mit frühzeitiger Einbindung aller Akteure geplant werden, um die Zeit- und Kostenintensität zu verringern.
Sie legen großen Wert auf Nachhaltigkeit und Suffizienz. Wie kann das stärker in den Fokus rücken?
Prof. Christa Reicher Nachhaltigkeit sollte über kurzfristige Gewinne hinausgehen und langfristig gedacht werden. Suffizienz, also das Konzept des maßvollen Konsums, sollte in der Projektentwicklung mehr Beachtung finden. Hier könnten angepasste Baurechtsvorgaben und innovative Prinzipien wie „Cradle to Cradle“ helfen, nachhaltige und ressourcenschonende Lösungen zu fördern.
Stadtentwicklungsprojekte müssen mehr Akzeptanz in der Breite finden. Wie erreicht man das?
Prof. Christa Reicher „Bottom-up“-Prozesse und Bürgerbeteiligung sind die Stichworte. Kontinuierliche Kommunikation mit den Bürgern und informelle Dialogformate sind entscheidend, um deren Bedenken und Wünsche frühzeitig aufzunehmen. Verwaltung, Politik und Entwickler sind gut beraten, sich auf diese partizipativen Prozesse einlassen, auch wenn dies manchmal Abstriche bei der Wirtschaftlichkeit bedeutet.
Welche Rolle spielt Deregulierung in der Stadtentwicklung?
Prof. Christa Reicher Es gibt bereits viele steuernde Instrumente, aber sie werden oft nicht ausgeschöpft. Komplizierte Regelungen erschweren den Planungs- und Umsetzungsprozess. Vereinfachte Vorschriften wie der experimentelle „Gebäudetyp E“ könnten eine flexiblere und effizientere Umsetzung von Projekten ermöglichen, ohne die Qualitätsstandards zu gefährden.
Wie lässt sich die Verantwortung für bezahlbaren Wohnraum besser verteilen?
Prof. Christa Reicher Es ist wichtig, eine ausgewogene Mischung von geförderten und freifinanzierten Wohnungen zu schaffen. Private Bauträger zögern oft, geförderte Wohnungen zu realisieren, da sie die Wirtschaftlichkeit infrage stellen. Kommunen und Förderprogramme könnten durch angepasste Konditionen Anreize bieten, um diese Herausforderungen zu überwinden.