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Bürokratie am Bau: Der lange Weg zur Kita


Beitragsbild Aktuelles 1
18. September 2024

Düsseldorf, 18.09.2024. Projektentwicklerin Simone Demmer und Architektin Kathrin Hiester wissen, was sie tun. Seit Ende der 1980er Jahre baut die nesseler Gruppe aus Aachen unter anderem Kindertagesstätten, inzwischen wurden rund 30 Einrichtungen errichtet. „Eine Kindertagesstätte, die wir vor fünf Jahren gebaut haben, wäre in dieser Form heute nicht mehr genehmigungsfähig“, bringt es Projektleiterin Simone Demmer auf den Punkt. Mit Blick auf die Kampagne der Bauministerin zucken die Praktikerinnen aus Aachen nur mit den Schultern: „Wir sprechen in diesem Bereich eher von einem weiteren Aufbau als von einem Abbau der Bürokratie“, so Demmer.

Ein wesentlicher Knackpunkt: Jeder Projektentwickler steht erst einmal vor der Frage, welche der sich teilweise widersprechenden Regelungen zum Bau von Kindertagesstätten überhaupt Priorität genießt. Neben der Landesbauordnung NRW greifen die technischen Regeln für Arbeitsstätten, die Vorschriften der Unfallkasse NRW („Sichere Kita“, Vorschrift 82), der Kita-Leitfaden der Stadt Aachen, die DIN 18040-1 zum barrierefreien Bauen (Teil 1: öffentlich zugängliche Gebäude) und die Vorgaben des Brandschutzsachverständigen in die Planung ein.
„Noch vor sechs Jahren durften wir zur Überwindung von Etagen in einer Kita einen Plattform-Hebelift einbauen, der durch einen Schlüsselschalter gesichert wurde – heute ist der Einbau von Hebeliften strikt verboten, der Gesetzgeber schreibt den Einbau eines kompletten Aufzuges vor“, beschreibt Architektin Kathrin Hiester. Mehrkosten: Im Durchschnitt ein hoher fünfstelliger Betrag.

Ganz markant und in Zentimetern auszudrücken ist der Konflikt zwischen den einzelnen Bestimmungen bei der Brüstungshöhe von Fenstern. Die Landesbauordnung schreibt eine Brüstung in einer Höhe von 80 bis 90 Zentimetern vor, der Kita-Leitfaden besteht darauf, dass es in der Höhe von 1,50 Metern keinen Öffnungsflügel geben darf. In den relevanten Brandschutzbestimmungen wird ein Fluchtfenster in einer maximalen Höhe von 1,20 Metern gefordert, die Ausführungen zur Barrierefreiheit legen zudem fest, dass ein Rollstuhlfahrer in einer Höhe von 60 Zentimetern (und damit in Sitzposition) freien Ausblick durch ein Fenster haben muss. Ein Zahlenspiel, das keine machbare Lösung kennt. Damit ist es ja nicht genug: So schreibt die Landesbauordnung einen Fensteranteil von einem Achtel der Baufläche vor, die Kita-Verordnung sieht den Fensteranteil bei einem Fünftel.

„Wir haben in der Planung schlicht keine Rechtssicherheit, wünschenswert ist eine Harmonisierung der einzelnen Werke“, so Projektleiterin Simone Demmer. Jedes Detail muss mit betroffenen Ämtern und Behörden abgestimmt werden, war die Planung für die Kita früher in einem Jahr erledigt, sind es heute mindestens 15 Monate, die bis zur Baugenehmigung vergehen. „Letztlich bestimmen keine übereinstimmenden, klaren Richtlinien die Bauausführung, die Prozesse sind abhängig von der Kompromissfähigkeit aller am Verfahren beteiligten Personen“, so Kathrin Hiester. Verbindlichkeit und Planbarkeit sehen anders aus.